Lady Dold - Das Orgeltagebuch

 8. Januar 2019

 

Es ist Winter, die Kirche kalt und die Orgel fehlt. Wir machen uns im Büro an die Arbeit und erkundigen uns nach Fördermaßnahmen für die neue Orgel. Viele Stiftungen haben unterschiedliche Kriterien für eine Förderung. Die größten Chancen gibt es in Berlin bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Wir schreiben Anträge und Briefe an unsere politischen Unterstützer, Herrn Jung aus dem Wahlkreis Konstanz und Herrn Weiss aus dem Wahlbezirk Emmendingen.

 

27. Mai 2019

 

An diesem Montag sind aus unserer Gemeinde Peter mit dem LKW und Ulrich, Helmut, Matthias und Andreas (Orgelberater aus Beckenried CH) unterwegs nach Titisee. Dort lagert seit drei Jahren die Dold-Orgel aus der Christkönigkirche. Wir treffen drei Mitarbeiter der Orgelfirma Heiß aus Vöhringen bei Ulm. Den halben Tag verladen wir die Orgel und die die Orgelpfeifen in zwei LKW. Das Orgelwerk geht in die Werkstatt, die 1400 Pfeifen nehmen wir in die Dorfkirche nach Büsingen.

 

Am späten Nachmittag sind alle Zollformalitäten erledigt und unter der Leitung des Orgelsachverständigen Dr. Michael G. Kaufmann, der in der Zwischenzeit in seinem Urlaub nach Büsingen gekommen ist, stellen wir die Orgelpfeifen in die Kirche. Glücklicherweise sind weitere Helfer dazugekommen, denn das Packteam war schon ziemlich erledigt vom Aufladen. Felix, Gottfried, Gunnar, Margrith und Jeannette haben fleißig getragen und entpackt.

 

Am Ende des Tages feierte das Team mit Herrn Kaufmann den gelungenen Orgeltransport in der Pizzeria.

 

Nun heißt es warten auf den Bescheid der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aus Berlin. Erst nach dem Förderbescheid können wir den Auftrag für die Renovierung an den Orgelbauer vergeben.

 

1. Juni 2019

 

Peter und Ulrich verladen an dem heißen Samstagmittag mit Matthias die Verpackungen für die Orgelpfeifen. Dann fahren die zwei Männer noch einmal nach Titisee und bringen die Verpackungen in die Lagerhalle. Der Orgelbauer wird sie dort mit der zweiten Orgelladung abholen. Nun ist die Kirche wieder frei für die Gottesdienste.

 

Januar 2020

 

Die altehrwürdige Lady Dold wartet nun schon sein vielen Jahren auf den Jungbrunnen, der sie wieder hübsch aussehen und mit junger Stimme erklingen läßt. Es waren viele Gespräche mit dem "Sanatorium" Orgel-Heiß in Vöhringen bei Ulm und mit dem Orgel- und Glockenprüfamt der Landeskirche notwendig, bis der "Behandlungs- und Pflegeplan" für die alte Dame festgelegt werden konnte. Lange Zeit warteten wir auf eine Kostenzusage der "Krankenkasse" namens Denkmalamt und Bundesbehörden - aber die Institutionen weigerten sich bedauerlicherweise, der Orgeldame zur Gesundung zu verhelfen. Jetzt aber sind alle Vorbereitungen getroffen, die privatärztlichen Verträge mit dem Orgelbauer geschlossen und die Kirche bald neu renoviert. Lady Dold wird in der Orgelwerkstatt gerichtet, ihre Gelenke teilweise erneuert und ihr Äußeres einer Schönheitsoperation unterzogen. Im Herbst kommt sie zu uns nach Büsingen, sie wird wieder im Orginalzustand aufgebaut und erhält ihre 1500 Pfeifen zurück. Mit dem Orgelbauer ist vereinbart, dass die dem Jungbrunnen entstiegene Lady Dold zu Weihnachten wieder in voller Schönheit erklingen wird.

 

Mai 2021

 

Die ehrwürdige Königin kehrt zurück aus dem Spa

 

Viele Jahre versah Lady Dold ihren herrschaftlichen Dienst in einer Kirche im Schwarzwald. Dort ist sie in Würden gealtert – sie ist aber durch einen Jungbrunnen bei der Orgelfirma Steinmeyer-Göckel wie ein Phönix aus der Asche gestiegen. Wir haben mehr als drei Jahre auf diesen Augenblick gewartet, mussten die Gemeinde immer wieder vertrösten, mussten erklären, weshalb sich der Orgeleinbau verzögert. Seit Mitte April sind die Orgelbauer nun mit dem Errichten der restaurierten Dold-Orgel in der Kirche beschäftigt. Bei Entladen der LKWs kamen fleißige Hände zu Hilfe. Auch die Unterbringung und Versorgung der Handwerker verläuft hervorragend. Herzlichen Dank sage ich allen Mithelfenden!

 

Die Orgelpfeifen von unserer Königin werden durch elektrische Impulse vom Spieltisch aus angesteuert, entsprechend lang sind die Kabelwege für 1500 Orgelpfeifen. Fast drei Kilometer Kabeln sind in der Orgel verlegt. Die Fotos geben Ihnen einen Eindruck von der Größe und dem Wunder der Technik.

 

Durch die Pandemie sind wir bei Drucklegung des Gemeindebriefs leider nicht in der Lage, den Termin der Einweihung und des Eröffnungskonzertes der Orgel zu veröffentlichen. Wir gehen davon aus, dass diese Festlichkeiten erst im Spätsommer möglich sein werden. Schließlich ist der Einbau einer denkmalwürdigen Orgel eine Besonderheit für unser Dorf und soll dementsprechend gewürdigt werden. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie die Restauration und den Einbau der Orgel mit einer großmütigen Spende unterstützen würden. Dafür möchte ich Ihnen sehr herzlich danken!

Matthias Stahlmann


 

Einweihung der neuen Orgel

‚Welch ein unfassbares Glück, dass Sie mit Andreas Schmidt einen engagierten Orgelkenner an der Seite hatten, der sich um diese wundervolle alte Orgel gesorgt und sie vor der Verschrottung gerettet hat!‘ Diese anerkennenden Worte sprach bei dem Einweihungsfest der Doldorgel in der Dorfkirche am Reformationstag der Orgelrestaurator Karl Göckel zur Festgemeinde. Mit einem vielfältig gestalteten musikalischen Gottesdienst hat die Kirchengemeinde die historische Orgel ihrer Bestimmung übergeben. Befreundete Organisten, der Männerchor Marabu und Orgelprofessor Dr. Michael G. Kaufmann aus Karlsruhe verzauberten die Kirche und die große Zahl der Festbesucher mit ihrer Musik.

 

Vier Jahre hat es gedauert bis in der Dorfkirche nun wieder eine richtige Orgel den Ton angeben kann. Die Orgelbauer erzählten, mit wieviel Mühe, technischem Knowhow und jahrzehntelanger Erfahrung bei Orgelrestaurationen sie das alte Instrument zu einer perfekt erneuerten Orgel gemacht haben. Pfarrer Stahlmann und Pfarrer Hesse von der Gemeinde der Nazarener feierten miteinander die Liturgie. Vertreter des Kirchengemeinderates dankten den Orgelbauern, den Handwerkern, den vielen Spendern und allen Mitarbeitenden für ihre Arbeit in den vergangenen Jahren in der Dorfkirche.

 

In seiner Predigt sagte Pfarrer Stahlmann: ‚Luther hatte für seine Botschaft kein Orchester im Hintergrund, keine Orgelklänge haben seine Worte begleitet, kein Posaunenchor hat gespielt. Luther hatte nur das Wort: Solus: allein! Allein Christus! Allein die Liebhaftigkeit Gottes macht uns Menschen zu freien Menschen! Seit Ende des sechzehnten Jahrhunderts wurde das Wort von der Kanzel durch eine wunderbar zu Herzen gehende Musik ergänzt, erweitert     und transponiert in andere Klangwelten. Die Orgel ist das Instrument, das mit der Fülle ihrer Musik die Menschen auf vielfältige Weise an ihre Freiheit als geliebte Kinder Gottes erinnert.‘ Eine Orgelvorstellung durch Professor Kaufmann und ein kleiner Apero der Kirchgemeinderäte bei sonnigem Herbstwetter rundeten das Einweihungsfest ab.

 

Am Nachmittag riefen die Glocken zum zweiten Highlight des Festtages. Das erste Orgelkonzert auf der historischen Lady Dold stand auf dem Programm. Orgelarchivar und Donator der Orgel Andreas Schmidt war gemeinsam mit seinem Orgellehrer Peter Fröhlich aus Seewen/SZ angereist. Zusammen stellten sie die Grand Dame mit einem bunten musikalischen Programm den Konzertbesuchern vor. Peter Fröhlich meinte: ‚Diese Orgel ist so reich an Harmonien! Es ist ein wunderbares Instrument! Die Gemeinde kann glücklich sein, solch eine ganz besondere Orgel zu besitzen.‘ Langanhaltender Beifall brachte am Ende der Darbietung die Freude und die Anerkennung der vielen Konzertbesucher zum Ausdruck. Dieses Klangerlebnis war der Auftakt für viele weitere Konzertangebote, die in den nächsten Monaten an der Lady Dold geplant sind.